Unterwegs mit
Barbara Zurbuchen, Skilehrerin
Über 40 Skilehrer*innen beschäftigt die Schweizer Skischule Kleine Scheidegg. Eine davon ist Barbara Zurbuchen. Wir haben die 32-Jährige aus Grindelwald bei der Arbeit begleitet.
Barbara Zurbuchen lässt ein wenig Schnee über die Schatztruhe rieseln und – Abrakadabra – schon lässt sich diese öffnen. Der Inhalt sorgt für leuchtende Kinderaugen. Doch von Anfang an.
Kalt, neblig – und fünf Anfängerinnen
Es dämmert gerade, als wir uns kurz nach 7 Uhr mit dem Auto auf den Weg in Richtung Grindelwald machen. In der Nacht ist viel Neuschnee gefallen. Es ist kalt. Bewölkt. Neblig. In der Wengernalpbahn hoch zur Kleinen Scheidegg können wir die schöne Bergwelt der Jungfrau Region nur erahnen. Oben angekommen wartet bereits Barbara Zurbuchen auf uns. Sie ist Skilehrerin bei der Schweizer Skischule Kleine Scheidegg. Wir dürfen die 32-Jährige bei der Arbeit begleiten. Von 10 bis 12 Uhr wird sie die Jüngsten der Jüngsten unterrichten. Livia, Julie, Charlotte, Noelia und Eliana sind gerade einmal drei Jahre alt. Alle kommen sie aus Grindelwald. Und alle kennen sie sich bereits von der Spielgruppe. Heute Freitag endet ihr einwöchiger Anfängerkurs im Rahmen des Swiss Snow Kids Village. Ob sie schon bereit sind für das zweite Level?
Gut vorbereitet
Das erste Level beinhaltet unter anderem die Punkte «Kennenlernen von Ski und Schnee», «Ansatzweises Bremsen mit Hilfsmitteln» und «Erste Richtungsänderungen». So steht es im schweizweit anerkannten Büchlein «Swiss Snow League – Swiss Snow Academy». Am Ende des Kurses entscheidet Barbara Zurbuchen, wer diesen bestanden hat – und wer nicht. «Zwei sind bereit für das nächste Level, ihre Büchlein habe ich schon entsprechend ausgefüllt, bei den anderen drei warte ich noch den heutigen Morgen ab.» Und dieser will gut vorbereitet sein. Mit einem Schlitten fahren wir hinunter ins Übungsgelände. In einem kleinen Holzschuppen ist hier alles gelagert, was Barbara Zurbuchen für den Kurs benötigt. Teppiche, Seile, Hütchen, Stabbies, Besen, Smarties und vieles mehr. Mit dem Material kreiert die Skilehrerin eine Fantasiewelt. In dieser sollen die Kleinsten auf spielerische Art das Skifahren erlernen. Vom Schneefall lässt sie sich nicht stören. «Ich mag dieses Wetter», sagt sie.
Der Kurs kann beginnen
Wir begeben uns – mit Hilfe des Zauberteppichs, einer Art Fliessband – wieder hoch zum Hauptquartier der Skischule auf der Kleinen Scheidegg. Gerade treffen die Kinder mit ihren Eltern ein. Und somit auch Marcel Homberger, der CEO der Skischule. Seine Tochter ist nämlich diese Woche eine der Schülerinnen von Barbara Zurbuchen. Die Skilehrerin hilft den Kleinen beim Anziehen der Leibchen. Und alle erhalten ein Gruppenzeichen. «Hans kommt auch mit», gibt die Skilehrerin ihm einen Namen. Die Kinder freuts. Dann schlitteln sie zusammen mit ihren Eltern hinunter zum Übungsgelände. Marcel Homberger buckelt auch gleich noch die fünf Paar Ski der Kids. «In diesem Alter wird das Material meistens gemietet», erfahren wir von ihm. Unten angekommen verabschieden sich die Erwachsenen. «Wenn die Eltern vor Ort bleiben, führt das in manchen Situationen zu einem unförderlichen Lernklima», sagt Barbara Zurbuchen. Und so steht dem Kursbeginn nichts mehr im Weg.
Skifahren als Teil des Lebens
Seit 13 oder 14 Jahren ist Barbara Zurbuchen bereits als Skilehrerin tätig, so genau weiss sie das nicht mehr. In Grindelwald unterrichtet sie seit vier Jahren, die erste Saison nun für die Schweizer Skischule Kleine Scheidegg. Im Eigerdorf ist sie wegen ihrem Mann gelandet. Zuvor unterrichtete Barbara Zurbuchen in Zermatt. «Skifahren war immer Teil meines Lebens. Ich bin in Homberg aufgewachsen, neben einem Skilift», erinnert sie sich. Sogar zu Schule sei sie jeweils mit den Ski gefahren. Über ihren Job sagt sie: «Ich habe den schönsten Beruf der Welt, kann meinem liebsten Hobby nachgehen – und dabei noch verschiedene Sprachen anwenden.» Ja, rund 50 Prozent der Kurse führt Barbara Zurbuchen auf Englisch oder Französisch durch. Im Winter Skilehrerin, im Sommer Bademeisterin? Im Fall von Barbara Zurbuchen nur ein Klischee. Wenn kein Schnee liegt, geht sie einem ganz normalen Bürojob nach.
Wald, Wasser – und ein Vulkantunnel
Zurück zu den Kindern. Die erste Hürde, das Anziehen der Ski, ist genommen. Die Schatzsuche kann starten. Barbara Zurbuchen liebt die Arbeit mit den Kleinsten. «Ich erzähle gerne Geschichten», sagt sie – und schickt die Kinder zum Goldmünzen suchen in die Fantasiewelt. «Vielleicht findet ihr sie beim roten Vulkantunnel, bei der gelben Sonne, im grünen Wald oder blauen Wasser». Und: «Wenn wir genügend Münzen sammeln, lässt sich am Schluss vielleicht die Schatztruhe öffnen.» Auf dem Teppich steigen die Kinder immer wieder nach oben, um beim Runterfahren möglichst eines der Goldstücke einzusammeln. Einige getrauen sich auch schon auf den Seillift, den «Händscherapser».
Von Znüni- und anderen Pausen
«Ich muss aufs WC», sagt eines der Kinder. «Ich nicht, ich habe Windeln an», entgegnet ein anderes. Gespräche, wie sie unter 3-Jährigen stattfinden. Barbara Zurbuchen hilft beim Ski aus- und wieder anziehen für aufs stille Örtchen. Danach ist sie wieder in der Fantasiewelt gefordert. Unermüdlich geht sie die Strecke hoch und runter. Sie hilft ihren Schützlingen wieder auf die Beine, wenn sie das nicht allein schaffen – und ruft immer wieder: Bremsen, bremsen! «Stell dir vor du bist ein Schmetterling, jetzt breitest du hinten mit den Ski die Flügel aus.» Die Bildsprache wirkt Wunder. Zumindest bei den meisten. Die Ski formen sich vorne zum Spitz. Der Stillstand gelingt. Die Zeit vergeht im Nu. Bereits ist eine Stunde um. Zeit für eine kurze Pause. Der Materialschuppen wird kurzerhand zum Znüniraum umfunktioniert. Es gibt warmen Tee, einen «Farmer»-Riegel, «Dar Vida» – und am Ende für jedes Kind ein Gummibärchen.
Abwechslungsreicher Job
Barbara Zurbuchen war als Kind im Skiclub – ehe sie als Skilehrerin angefangen hat. Heute ist «Bärblä», wie sie von allen genannt wird, Schneesportlehrerin mit eidg. Fachausweis, Expertin Ski, Expertin Kids sowie Ausbildungsleiterin. Als Letztere bildet sie Skilehrer*innen in der ganzen Schweiz aus. Es ist mitunter die Abwechslung, welche Barbara Zurbuchen an ihrem Job so schätzt. Von Anfänger*innen über Fortgeschrittene bis zu Profis. Von Jung bis Alt. «Ich war auch schon mit über 75-Jährigen unterwegs», erinnert sie sich. Auch Einzelunterricht wird regelmässig gebucht. Unmittelbar neben uns nimmt denn auch eine erwachsene Anfängerin gerade eine Privatstunde. Was ist der grösste Unterschied zwischen den verschiedenen Kursen? «Kinder lernen schneller, getrauen sich mehr, sind draufgängerisch», sagt Barbara Zurbuchen. «Erwachsene machen sich mehr Gedanke, was passieren könnte.» Und weiter: «Mit Cracks kann man an der Technik feilen, ganz andere Gespräche führen – und kommt selbst mehr zum Fahren. Alles in allem kommt Barbara Zurbuchen auf 120 bis 150 Schneetage pro Saison. Privat auf den Skipisten unterwegs ist sie nur selten. Wenn, dann am liebsten auf der schwarzen Piste «Black-Rock» im Skigebiet Grindelwald-Wengen oder der blauen Piste «Gemsberg» im Skigebiet Grindelwald-First.
Sonne, blauer Himmel – und leuchtende Kinderaugen
Die Pause ist vorbei. Frisch gestärkt geht der Kurs weiter. «Ich will auch mal mit dir auf den Lift», hört Barbara Zurbuchen immer wieder. Ein gutes Zeichen. «Es bedeutet, dass sie mir vertrauen», so die Skilehrerin. Es ist schon fast 12 Uhr, als sich plötzlich die Wolkendecke öffnet. Blauer Himmel, Sonnenschein – und der Eiger zum Greifen nah. Die Kinder kämpfen derweil langsam mit der Müdigkeit. Zum Glück sind die zwei Stunden um, und alle Goldmünzen gefunden. Marcel Homberger hilft wieder beim Rücktransport. Nicht aber bevor seine Tochter ihm stolz das Neuerlernte gezeigt hat. Sie geht selbständig auf den Seillift, fährt die Strecke hinunter – und bremst.
Zurück auf der Kleinen Scheidegg dann der grosse Moment. Und tatsächlich, die Schatztruhe lässt sich öffnen. Sie ist gefüllt mit Kinder-Überraschungseiern. «Die Freude der Kinder. Ihre leuchtenden Augen. Das ist der schönste Lohn», sagt Barbara Zurbuchen. Und die Umarmung, die sie zum Abschied von jedem Kind erhält. «Ein schönes Zeichen der Dankbarkeit».
Übrigens: Vier der fünf Kinder haben den Kurs bestanden, doch das interessiert im Moment nicht wirklich. Der gefundene Schatz ist das Thema Nummer eins.
Aufräumen, ein Sandwich – und weiter gehts!
Für die Skilehrerin ist der Kurs noch nicht ganz vorbei. Barbara Zurbuchen fährt wieder hinunter zum Übungsgelände, verstaut das Material im Holzschuppen. Im Aufenthaltsraum der Skischule nimmt sie sich danach noch Zeit für ein Gespräch mit uns. Dann aber muss sie weiter. Schnell ein Sandwich essen, ehe bereits der nächste Kurs ansteht. Einzelunterricht mit einem Mitglied der Racing Akademy Kleine Scheidegg «RAKS».
Fotos/Videos:
Sina Fuchser, Jekaterina Zürcher
Story:
Raphael Hadorn
Winter 2024
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